Montag, 15. Oktober 2012

die kamera luegt nicht...


Das vielleicht größte Missverständnis über die Fotografie kommt in dem Worte „die Kamera lügt nicht" zum Ausdruck. Genau das Gegenteil ist richtig. Fotos sind „Lügen" in dem Sinne, daß sie nicht vollkommen der Wirklichkeit entsprechen: sie sind zweidimensionale Abbildungen dreidimensionaler Objekte, teils Schwarz-Weiß-Bilder farbiger Wirklichkeit, „starre" Fotos bewegter Objekte. Jedes Foto, das „nichts geworden ist", jedes Bild, das für den Fotografen eine Enttäuschung war, weil es nicht das ausdrückte, was er sagen wollte, ist ein Beispiel dafür. Und doch ist jedes Foto gleichzeitig eine getreue und authentische Wiedergabe eines Objekts oder eines Geschehnisses in dem Augenblick der Aufnahme. Dieses scheinbare Paradoxon erklärt sich dadurch, daß ein Foto eine authentische Abbildung alles Sichtbaren ist, das im Bereich des Objektives lag. In erster Linie ist es die Fülle nichtssagender Dinge, der Mangel an grafisch wirksamen Eigenschaften und das Fehlen gefühlsmäßig bedeutsamer nicht greifbarer Dinge, die so viele Fotos als „Lügen" erscheinen lassen.
aus:  Feininger, Andreas: Die Neue Fotolehre. Düsseldorf 1965. S. 69 ff., S. 287 ff. und S. 370 fT.

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